Geschichte der SP Embrachertal

Auszüge aus der Jubiläumsschrift 75 Jahre SP Embrach

Aus dem Vorwort des ersten Präsidenten, Konrad Schneider

Die Gründung der Partei wurde an einer Versammlung von Gesinnungsgenossen am 26.Mai 1918 beschlossen. Der nachmalige Präsident, Konrad Schneider beschloss seine Betrachtungen zu dieser Versammlung mit folgenden Worten:

 

Möge dieses Buch, geführt von eifrigen und gewissenhaften Protokollführern, einer späteren Generation zeigen , wie die Genossen in Embrach ihre Aufgabe erfasst haben, mögen die Auszüge aus den Vorstands- und Vereinsversammlungen immer getragen sein vom Willen, der Sache des Proletariats zu dienen, möge der Same, der an dieser denkwürdigen Versammlung (26.Mai 1918) ausgestreut wurde, Früchte tragen, hundert- und tausendfältig.

 

Embrach im Juni 1918

Gründung

Am 26. Mai 1918 trafen sich etwa ein Duzend Gesinnungsgenossen um die Frage zu prüfen, ob es möglich wäre, auf dem Platze Embrach eine Organisation ins Leben zu rufen, die im Sinn und Geist der sozialdemokratischen Bewegung tätig sein könnte.
Bereits am 16.Juni im gleichen Jahr fand die Gründungsversammlung statt, die von 55 Personen besucht war. Der erste Vorstand setzte sich aus folgenden Genossen zusammen:

 

  • Präsident: Konrad Schneider, Posthalter
  • Vizepräsident: Gottfried Kuhn-Sigg
  • 1. Aktuar: Karl Römp
  • 2. Aktuar: Robert Müller
  • Kassier: Jakob Vogel
  • Beisitzer: H.Buchegger und Gottfried Ganz

Die politischen Gegner

Den Embracher Sozialdemokraten schlug vonAnfang an ein eisiger Wind aus dem bürgerlichen Lager entgegen. Der erste Präsident, Posthalter Schneider, wünschte schon 1919 zurückzutreten infolge der infamen Hetze, welche gegenwärtig in unserer Gemeinde seitens der bürgerlichen Parteien gegen mich in Szene gesetzt wird. Scheinbar wurde seine Tätigkeit als Posthalter, und seine prägende Rolle während des Generalstreiks unter Beschuss genommen.
Ein anderer Genosse wünschte von den Mitgliedern, ihm solidarisch beizustehen, weil seit der letzten Gemeindeversammlung gegen seine Person ein Kesseltreiben begonnen habe.
In den dreissiger Jahren waren es die zunehmende Agitation der nationalen Front, welche den Sozialdemokraten Sorgen machte. So ist zu den Gemeindewahlen 1932 im Protokoll zu lesen: Es wird sich zeigen, wieweit sich die bürgerlichen Parteien von den paar frontistischen Pavians ins Bockhorn jagen lassen.
Nach dem Krieg ist zu diesem Thema nachzulesen: ….dass auch in unserer Behörde nicht das Zutrauen herrscht, das die notwendigen Schritte unternommen worden wären, um auch mit unseren Nazis aufzuräumen.
Unsere heutigen politischen Gegner geben sich in Sachgeschäften moderat und zusammenarbeitswillig. Es wir von ihnen anerkannt, dass die SP unbedingt zum Mitregieren dabei sein muss. Stehen aber Wahlen an, sind nicht einmal Diskussionen über proportionale Ansprüche der SP möglich.

Die SP in den Behörden

Um möglichst schnell Einfluss auf Gemeindeebene zu haben, hat sich die junge Sektion an Wahlen beteiligt. Die Steuerkommission war das erste Ziel , denn damals war es nur über dieses Gremium möglich, Einblick in die Steuerregister zu erhalten. Trotz beachtlicher Stimmenzahl ging die SP leer aus.
Schon an den Gemeindewahlen 1919 gelang es hingegen Robert Müller in den Gemeinderat und Gottfried Ganz in den Bürgerausschuss einzuziehen. Unsere beiden Genossen wurden glänzend gewählt, trotz dem Boppschen Hetzartikel, welcher 2 Tage vorher in seinem Blatte erschien.
1922 und 1925 wurden sozialdemokratische Schulpflege-, Wahlbüro- und Gemeinderatskandidaten an der Wählerversammlung von den bürgerlichen Parteien in verleumderischer Art schlecht gemacht und hatten keine Chance, gewählt zu werden.
Dagegen erfreulich war für die SP Embrach der Ausgang der Kantonsratswahlen 1926. Gleich zwei Genossen, Konrad Schneider und Georg Meier wurden ins Kantonsparlament nach Zürich gewählt.
Erst 1942 konnte die SP in den Gemeinderat einziehen, überhaupt ging es von jetzt an aufwärts mit der Sektion Embrach. Dies zeigte sich an den Gemeindewahlen 1946. Zwei Sitze konnten in der Primarschulpflege und in der Steuerkommission erkämpft werden, und Fritz Ganz wurde Gemeindeammann. Vorbei waren die Zeiten, als der Sozialdemokrat allein als Roter abgestempelt und nicht ernst genommen in den Behörden tätig war. Die Stärke der SP manifestierte sich auch 1953. Mit Höchstresultaten konnten sämtliche Mandate gehalten, oder neu besetzt werden.
Von 1958 bis 1989 waren zwei sozialdemokratische Stimmen im Gemeinderat vertreten. Als erste Partei im Dorf schlug die SP 1966 eine Frau in die Primarschulpflege vor. Im ersten Wahlgang wurde Frau Luise Heusser gewählt. Überhaupt war es immer Ziel der Sektion, sich für Frauen in den Behörden stark zu machen. So war während einer Amtsdauer Martha Koch und als ihre Nachfolgerin Dori Züllig während acht Jahren im Gemeinderat tätig.
In den letzten Jahren wurde es immer schwieriger, unserer Parteistärke entsprechend Kandidatinnen und Kandidaten in den Behörden abzuordnen. Nicht nur einmal wurden tüchtige Leute, dem Wohl verpflichtete Sozialdemokraten von verantwortungsvollen Bürgern auf hinterhältige Art in den Dreck gezogen und nicht wiedergewählt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass in den letzten Jahren in allen Behörden höchstens ein Vertreter oder Vertreterin der SP sitzt.
Beim Rückblick führt kein weg am verstorbnen Fritz Ganz vorbei.1963 wurde er als zweiter Sozialdemokrat der Bezirks Bülach in den Kantonsrat gewählt, und in der Amtdauer 1971/72 präsidierte er als höchster Zürcher den Kantonsrat. 1970 wurde er als Präsiden in den Gemeinderat gewählt, ein Amt, das in einer Landgemeinde 20 Jahre früher für einen Sozialdemokraten unmöglich gewesen wäre. Ein Jahr später zog Fritz Ganz als erster sozialdemokratischer Unterländer nach Bern in den Nationalrat.

 

Arbeitnehmerpolitik

Die Probleme der Arbeitnehmer im Embrach sind seit der Gründung wichtigste Anliegen der SP. Zwischen 1914 und 1918 verelendeten weite Bevölkerungskreise vor allem aus der Arbeiterschaft. Im Gründungsjahr wurde der Antrag unseren Soldaten eine tägliche Soldzulage von 20Rp. zu verabreichen, rückwirkend auf 1916 stattgegeben. 1928 sammelte man Unterschriften für eine kantonale Alters- und Invalidenversicherung, eine heute nicht mehr wegzudenkendes Sozialwerk.
Ein Zeugnis der besondern Solidarität innerhalb der Sektion stammt aus dem Protokoll vom 22.Dezember 1918: Am Schluss der Versammlung wurde eine Sammlung veranstaltet für den Genossen Karl Krebser, welchem kürzlich seine von unerzogenen Kindern weggestorben ist:
Die zunehmende Arbeitslosigkeit veranlasste die Genossen 1930 und im Frühling 1944 Eingaben an den Gemeinderat zu richten. Derselbe wurde ersucht werden, für Arbeitslose eine Unterstützungskasse zu errichten.
Heute ist dieses Thema wieder aktueller denn je, den wieder müssen sich Arbeiter und Angestellte gegen einen Abbau der Arbeitslosenversicherung und für ein Beschäftigungsprogramm zur Wehr setzen.

 

Jugend und Bildungspolitik

1942 gelangte die SP an den Gemeinderat zur Errichtung eines Kindergartens. Die Bauernvertreter im Rat waren mit einer solchen Institution aber nicht einverstanden. Die Embracher mussten bis 1953 auf den den von unserer Partei immer wieder geforderten Kindergarten warten.
Jugend und Drogen sind Themen, die unsere Partei immer wieder beschäftigen. die SP fordert schon lange, dass ein Treffpunkt für die jungen Menschen entstehen kann, und dass in Ergänzung zu den vereinsinternen Angeboten auf die Bedürfnisse der Jungen eingegangen wird.

 

Miet- und Wohnpolitik

Die rege Bautätigkeit der Sechzigerjahre war für die SP Embrach eine Herausforderung. Schon damals suchte man Lösungen für die oft prekäre Situation der Mieter. Man wehrte sich gegen die Bodenspekulation, oder machte sich Gedanken über ein Altersheim, Kindergärten und Spitalplätze. Anstehende Kreditbegehren für solche Bauvorhaben wurden durchwegs unterstützt.

 

SP Intern

Die SP Embrach hat in ihrem langjährigen Bestehen Hoch und Tiefs erlebt Es brauchte oft viel Beharrungsvermögen, Idealismus, Mut und festen Glauben an die Sache der Sozialdemokratie. Die Erwartungen bezüglich Versammlungsbesuch waren recht hoch. So konnte die auf 21.Dezember 1920 einberufene Versammlung, weil nur 17 Mitglieder anwesend waren, nicht abgehalten werden. Heute im Zeitalter von Fernsehen und anderen Freizeitaktivitäten würde es der Versammlungsleitung kaum in den sinn kommen, 17 Besucher nach Hause zu schicken.
Ein Tiefpunkt war wohl das Jahr 1929, als wegen sinkender Mitgliederzahlen über die Auflösung der Sektion nachgedacht wurde. Zum Dank an die frühere Parteileitung, aber vor allem zum Trotz gegen die bürgerlichen Parteien wurde betont, die Partei auf keinen Fall aufzulösen.
Während der Dreissigerjahren ist es um die Embracher Partei ruhig geworden. In dieser, von Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit geprägten Zeit finden wir zum Kassenbericht der GV 1933 folgende Bemerkung: Überfluss an Geldmangel ist auch Trumpf in unserer Parteikasse.
Erst 1941 ging es wieder etwas aufwärts mit den Mitgliederzahlen. Neue Namen wie Karl Bänninger, Theo Spörri und Fritz Ganz tauchen, neben anderen in den Protokollen, auf. 1948 wurde ein Mitgliederbestand von 72 ausgewiesen.
Am Ende der siebziger Jahre erschütterten intern Querelen die Sektion, die zu einem empfindlichen Mitgliederschwund führten. Praktisch die gesamte damals junge Generation von aktiven Genossen und Genossinnen verliessen die Partei. Sie kehrten der ihnen allzu bürgerlichen ausgerichteten Sektion den Rücken.

 

Anekdotisches

Im Gründungsjahr musste der Präsident mitteilen, dass in Anbetracht des Versammlungsverbots wegen der Grippe vorläufig keine Versammlung stattfinden kann. Die Wahl des Versammlungslokal war für Jahre immer wieder ein Thema. In Embracher Wirtschaften, mit den für den Neuembracher fremd klingenden Namen wie Restaurant Lüscher, zur Obermühle, Schmid oder zum Wilden Mann wurden Monats-und General-versammlungen durchgeführt. Wegen der hohen Konsumationskosten zogen es viel Genossen vor, im alten Gemeindehaus die Versammlungen abzuhalten. Wohl nicht alle, denn unter Verschiedenem ist 1934 zu lesen: Künftig soll während der Sitzungsdauer mit den Kellnerinnen nicht geschmust werden.
Ein Auszug aus einem Rücktrittsschreiben beweist, dass die Mitgliederliste nicht immer auf dem letzten Stand gewesen sein muss. Da steht: …gebe ich hiermit den sofortigen Rücktritt aus der Partei, für den Fall, dass ich Mitglied sein sollte, oder als solches betrachtet werde.
An einer Versammlung wird ein Neumitglied mit folgenden Worten willkommen geheissen: Ich denke, dass er sich bei uns bald heimisch fühlt und hoffe, dass er ja nicht zu stark links steht!

 

Parteipräsidenten der SP Embrach

  • Konrad Schneider 1918-1921
  • Georg Meyer 1921-1927
  • Konrad Schneider 1928
  • Eugen Spörri1929-1947
  • Fritz Ganz 1947-1969
  • Kurt Koch 1969-1976
  • Franz Steffen 1976-1978
  • Karl Bänninger 1978-1984
  • Fredy Züllig 1984-1996
  • Kurt Michel 1997-1998
  • Walter Koch 1998-2002
  • Hans Peter Stutz 2002-2010
  • Sabina Buyet 2010-2013
  • Arthur Schweizer 2013-2016
  • Franz Zürcher 2016-…