Warum die Lancierung der Waffeninitiative ein Fehler war

Die Linke leidet am stärksten unter der «Versymbolisierung» der Schweizer Politik. Mit der Waffeninitiative hat sie dieser von rechts geförderten Tendenz noch geholfen.

Gesellschaftliche Solidarität gegen Einzelinteressen: Das ist der politische Kampf links gegen rechts, und er findet vor allem in der Sozial- und Bildungspolitik, beim Gesundheitssystem, bei der Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik statt. Dort muss die Linke ihren Fokus setzen, dort hat sie Chancen, mit prinzipiell durchaus mehrheitsfähigen Projekten die Gesellschaft zu verändern. In den letzten Jahren sind all diese Bereiche aber ziemlich in den Hintergrund gerückt. Dafür wurde in der Schweiz häufig über Vorlagen abgestimmt, die sich nur mit symbolischen Probleme befassten, und gerade deswegen sehr viel Aufmerksamkeit erhielten. Das stärkste Beispiel dafür ist die Minarettinitiative, aber auch die Verwahrungsinitiative, die Ausschaffungsinitiative oder eben die Waffeninitiative gehören dazu. Diesen Initiativen gemeinsam ist dass sie relativ wenige Menschen betreffen (wie die Opfer von schwere Sexualstraftaten oder von Morden mit Schusswaffen), und zum Tode oder zur völligen Erschütterung ihres Lebens führen. Und dass diese Opfer dann im politischen Diskurs verwendet werden – und zum Beispiel postuliert wird, dass Gegner der Verwahrungsinitiative «Täter statt Opfer» schützen wollen, was natürlich kreuzfalsch ist.
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Mit dieser Symbol- und Identitätspolitik («Der kulturelle Identitätsdiskurs dominiert die politische Diskussion gegenwärtig.») kann die Rechte erfolgreich vom Kampf «Gesellschaftliche Solidarität gegen Einzelinteressen» ablenken. Es ist richtig und wichtig, dass die Linke in Symbol- und Identitätsfragen klare und einfache Antworten hat. Sie muss aber konsequent gegen die «Versymbolisierung» der Politik, in der nur noch diese Fragen von Interesse sind, kämpfen.

Mit der Waffeninitiative ging die politische Linke nun komplett in die falsche Richtung. Ich habe selbstverständlich Ja gestimmt zur Initiative, und mich im Abstimmungskampf stark dafür eingesetzt, u.a. mit der Produktion des Abstimmungsfilms der SP Schweiz. Ich habe aber auch gemerkt, wie gut mir und vielen linken PolitikerInnen das süsse Gift der emotionalen Argumentation schmeckte, und wie bei vielen von uns bedeutendere politische Konflikte als die Frage, ob Armeewaffen im Zeughaus oder zu Hause lagern sollen, in den Hintergrund rückten.

Aber es war absehbar: Weil die Rechte die Deutungshoheit in Identitäts- und Symbolfragen besitzt, konnte sie die Abstimmung erfolgreich zu einem Votum über «Wir, die heldenhaften und freien Schweizer gegen die bürokratischen Feinde der Freiheit von links» umdeuten. Der Schaden den die Linke mit dieser Initiative anrichtete liegt nicht darin, dass ein Abstimmungssonntag einmal mehr in Trübsinn endete. Der Schaden liegt darin, dass man der Strategie der Rechten, nämliche ihre Politik der Einzelinteressen hinter dem Trara um Symbolabstimmungen ungestört umzusetzen, geholfen hat.

(Es sei hier explizit nochmals gesagt: Die Beiträge in diesem Blog widerspiegeln vor allem die Meinung der VerfasserInnen, und nicht immer die Mehrheitsmeinung der SP.)